»Ich wäre fast krepiert!« Maurice Ravel und die Krise der Melodie
Bei der Komposition des langsamen Satzes seines Klavierkonzertes arbeitete Ravel nach seinen Aussagen entlang am Modell des Larghetto aus Mozarts Klarinettenquintett KV 581. Das Bemühen um eine melodische Leichtigkeit wurde allerdings zu einem Abmühen – gegenüber der Uraufführungspianistin Marguerite Long rief er angeblich dramatisch aus: „Es fließt, aber ich habe Takt für Takt gearbeitet und wäre fast krepiert!“. Diese Aussage illustriert auf drastische Weise die Krise, in der sich die Melodie in der nachklassischen Zeit befand. Der Vortrag versucht die Ursprünge dieser Krise, die ins 19. Jahrhundert zurückreicht, darzustellen und Ravels beschwerlichen Weg aus dieser Situation nachzuzeichnen. Dazu werden Melodien aus dem Klavierkonzert und anderen Werken analysiert und den historischen Beispielen gegenübergestellt. Studierende bringen die Qualitäten des Melodikers Ravel mit Aufführungen von Kammermusik zu Gehör.
Kurzbio HPR:
Hans Peter Reutter (Jahrgang 1966) studierte Komposition bei György Ligeti und Musiktheorie u.a. bei Wolfgang A. Schultz und Christoph Hohlfeld in Hamburg. Als Komponist erhielt er einige Auszeichnungen und war Mitbegründer des Ensembles Chaosma für mikrotonale Musik. Daneben arbeitete er als Musikkabarettist und Korrepetitor für Schauspieler. Zunächst lehrte er an der Hochschule für Musik Hamburg und dem Hamburger Konservatorium, seit 2005 ist er Professor für Musiktheorie an der Robert Schumann Hochschule. Seine Schwerpunkte sind neben der Methodik des Unterrichtens Musik des 20. Jahrhunderts, darunter vor allem die Igor Strawinskys. Zahlreiche Veröffentlichungen und eigene Website satzlehre.wordpress.com.