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26. 06. 2019

Klang und Realität

IMM-Prof. Julian Rohrhuber im Interview über einen von zwei Masterstudiengängen am IMM

Seit dem Sommersemester 2017 bietet das IMM bietet den neuen Masterstudiengang Klang und Realität an. Er soll zeitgenössische künstlerische Formen und Denkweisen stärker als bisher in die Hochschule einbinden. <link internal-link internal link in current>Prof. Julian Rohrhuber erklärt im Interview, was es damit auf sich hat.

An welche Zielgruppe richtet sich der neue Masterstudiengang?

Wir möchten verschiedene Menschen zusammenbringen. Klang und Realität richtet sich an alle, deren Neugier musikalisch motiviert ist, an alle, die neue künstlerische Formen entwickeln möchten. Musik ist ein Zugang zur Realität. Man könnte sagen, eine haltung des aufmerksamen Lauschens und kritischen Sondierens. Das finden wir über alle Disziplingrenzen hinweg, es hat aber an der Musikhochschule einen angemessenen Platz. Darum ist es uns wichtig, dass hier Studierende mit ganz unterschiedlichen Werdegängen zusammentreffen, um mit den Lehrenden gemeinsam zu arbeiten und zu forschen.

Für welche beruflichen Tätigkeiten qualifizieren sich die Absolventinnen und Absolventen?

Natürlich qualifizieren künstlerische Studiengänge erst einmal ganz allgemein zum Künstlerberuf. Was heißt das eigentlich? Das heißt, wir erwarten von Absolventinnen und Absolventen, dass sie imstande sind, die Künste in Zukunft weiter zu tragen und auch weiter zu entwickeln. Tätigkeiten hängen immer vom individuellen Werdegang ab. Wir zielen in diesen Tätigkeiten auf eine spezifisch musikalische Pointe und wir setzen das akademische Niveau so hoch, dass die Studierenden ihre Qualifikation verdienen. Wichtig ist dafür, dass sie sich mit wirklich zeitgenössischen Problemstellungen vertraut machen. In einer Arbeitswelt, in der alle paar Jahre die Tätigkeiten nicht mehr wiederzuerkennen sind, sind wir damit gut anschlussfähig. Scheinbar ein Widerspruch: Dieser eher traditionelle Weg der selbstbestimmten künstlerischen Bildung ist absolut zeitgemäß.

Als Schwerpunkt nennen Sie epistemische Medien. Was verstehen Sie unter diesem Begriff?

Medien können zur Unterhaltung dienen oder eben zur Erkenntnis. Wer etwas „epistemisch“ tut, ist neugierig, möchte etwas genauer wissen. Meistens verbinden wir Musik und Medien mit irgendeiner Form der Unterhaltung. Oft liegt die wirkliche künstlerische Motivation aber woanders, nämlich im Wissensdurst und in der Entdeckerfreude. Kunst ist eben keine Zierde, die man auch weglassen könnte. Der Schwerpunkt verankert deshalb die künstlerische Forschung auf hohem Niveau.

Wie sehen arbeiten aus diesem Bereich aus?

Da ist natürlich eine lange Tradition, zum beispiel der künstlerische Dokumentarfilm: Hier geht es um die Auseinandersetzung mit einer Realität, die anders nicht zugänglich wäre. Und gerade da spielt der Klang eine entscheidende Rolle, was Sie selbst ausprobieren können, wenn Sie einfach mal den Ton abschalten. Solche Formate tragen übrigens wesentlich zu anderen Disziplinen bei, zum Beispiel zur Ethnologie. Eine typische Arbeit in epistemischen medien wäre auch eine Komposition, die von mathematischen Überlegungen ausgeht und sie musikalisch weiter verfolgt. Man nennt das auch artistic research. Neugierig wie wir sind, sind wir immer auf der Suche nach unentdeckten Ausdrucksformen, die uns Aufschluss über die Welt geben.

Transmediale Formen heißt der zweite Schwerpunkt. Was verbirgt sich dahinter?

Ein Großteil der künstlerischen Praxis lässt sich nicht mehr über das einzelne Medium verstehen, sie passiert im Zwischenraum, an den Schnittstellen. Man muss also in mehreren Ausdrucksformen zuhause sein, und Musik ist da keine Ausnahme. Weil diese entschiedene Zwischenposition so wichtig ist, widmen wir ihr einen Schwerpunkt. Man findet zum Beispiel musikalische Prinzipien dort wieder, wo man sie erstmal nicht vermuten würde, sei es im Licht oder im Raum. Und sicherlich auch im Text, ein Medium, das in unserer Tradition der Musik ja ohnehin am nächsten steht. Für Formen, die Mediengrenzen überschreiten, passt eine musikalische Herangehensweise perfekt. Das liegt sicher auch an der Zeitlichkeit: Es gibt meines Wissens keine andere Kunstform, die bis ins Kleinste an zeitliche Abläufe gebunden ist.

Welche Lehrveranstaltungen sind mit diesem Schwerpunkt verknüpft?

Ein gutes beispiel ist das Seminar Transformate. Es wird von <link internal-link internal link in current>Prof. Dr. Heike Sperling geleitet, die gemeinsam mit <link internal-link internal link in current>Prof. Andreas Grimm und mir den Studiengang entwickelt hat. Das Seminar beschäftigt sich damit, wie man über Mediengrenzen hinweg mit Verschiebungen, Umschrei- bungen und Positionswechseln arbeiten kann. Das betrifft ganz zentral diejenigen, die kompositorisch mit Klangmaterial arbeiten. Aber genauso alle, die mit Bild oder Text arbeiten. Oder nehmen Sie Mittelkunde: <link internal-link internal link in current>Dr. Johanna Dombois nahm im letzten Semester rituelle und kultische Verwendung von Medien in den Blick. In Visuelle Methoden erörtert <link internal-link internal link in current>Carsten Goertz, wie das musikalische nicht nur hörbar sondern sichtbar werden kann. Das ist jetzt natürlich nur ein Ausschnitt. Die Studierenden können immer auch zwischen den Schwerpunkten kombinieren. Wir achten darauf, dass die Lehrveranstaltungen insgesamt ein genau abgestimmtes Spektrum von Inhalten abdecken.

Wer Klang und Realität studieren möchte, muss weder vorspielen noch vorsingen. Stattdessen verlangen Sie unter anderem ein Konzept. Trotzdem gehört der Studiengang zu einer Musikhochschule. Warum?

Instrumentalspiel und Gesang sind natürlich ein unentbehrlicher teil der Hochschule – die Zeiten sind vorbei, in denen man behauptet hat, der Computer würde irgendwann die Violine ersetzen. Das nebeneinander ist da viel interessanter. Man darf genau deshalb auch die andere Seite nicht vernachlässigen – für Musikhochschulen ist das eine große Herausforderung. In Zukunft ist es für uns überlebenswichtig, zeitgenössische künstlerische Formen und Denkweisen stärker einzubinden. Musikalität ist zum Glück ja nicht an Instrumente gebunden. Um begabte Studierende zu finden, müssen wir also etwas genauer sein. Wir können anhand eines Portfolios mit bereits realisierten arbeiten und einer beschreibung eines Vorhabens für das Studium sehr viel besser nachvollziehen, inwiefern jemand für das Studium geeignet ist.

Welche Dozierenden konnten Sie für den neuen Studiengang gewinnen?

Glücklicherweise haben wir großartige Kolleginnen und Kollegen von überall her gewinnen können. Das liegt sicher auch daran, dass wir Themen in den Mittelpunkt rücken, die in der Luft liegen. Und das umfeld einer Musikhochschule ist ideal dafür. <link internal-link internal link in current>Anja Dreschke zum beispiel ist eine avancierte Medienanthropologin. Sie baut mit uns die ethnologische Forschung im Klangbereich auf, das wäre anderswo viel schwieriger. Oder <link internal-link internal link in current>Prof. Dr. Swantje Lichtenstein, die den gesprochenen Text als musikalisches Genre weiterentwickelt. Sie ist sowohl als Künstlerin und in der Lehre sehr erfolgreich, ich besuche ihre spannenden Performances gerne. <link internal-link internal link in current>Prof. Nicolas Langlitz kommt regelmäßig von der new Yorker The New School zu uns, und der Philosoph Dr. <link internal-link internal link in current>Tzuchien Tho von der University of Bristol. So können wir international und auf hohem Niveau an aktuellen Fragen künstlerischer Forschung arbeiten. Darüber könnte ich natürlich viel länger sprechen, aber dafür ist dieses Interview zu knapp. erwähnen würde ich hier gerne noch einmal Dr. Johanna Dombois, die uns eine hervorragende Reflexion auf zeitgenössische Medien bringt. Unter anderem als Opernspezialistin kann

sie sehr gut vermitteln, wie Medien nicht bloß Musik abbilden, sondern wie Musik selber schon aus Medien entstehen kann.

Das Studium schließt mit einer Abschlussarbeit. Wie könnte die aussehen?

Ein klassisches Abschlussthema wäre zum beispiel eine Klanginstallation, die etwas unsichtbares hörbar macht. Denken Sie beispielsweise an Erdbeben oder an Radiowellen aus dem Weltall. Um so ein Projekt befriedigend umzusetzen, muss man schon was von der Sache verstehen. Man muss auch kompositorisch arbeiten können, wahrscheinlich auch programmieren. Darüber hinaus wirft man damit viele andere Fragen auf, beispielsweise wenn man die Installation für einen besonderen Ort konzipiert. Abschlussarbeiten können auch eine Serie von künstlerischen Experimenten sein, ein Film, eine Partitur, eine Bühnenperformance, und so weiter. Ähnlich wie Bildhauerei lässt sich Musik nicht mehr durch bestimmte Formate definieren. Klang und Realität heißt eben auch: Wenn man die Sache ernst nimmt, muss man den Horizont erweitern.

Das Interview führte Matthias Schwarz.



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