In diesem Jahr feiert das Festival den 100. Geburtstag zweier großer Komponisten: Pierre Boulez (1925-2016) und Luciano Berio (1925-2023). Auf jeweils eigene Weise haben beide mit ihren Werken neue Klang- und Ausdrucksbereiche erschlossen, die Entwicklung elektronischer Ressourcen vorangetrieben, das Nachdenken über Musik stimuliert und die Avantgarde in die Konzertsäle geprägt.
Auf dem Programm stehen unter anderem Dérive und Éclat von Boulez und O King und Sequenza von Berio. Junge Komponistinnen und Komponisten der neuen Generation stellen diesen ihre eigenen Werke gegenüber. Zu hören sind zahlreiche Uraufführungen aus der Kompositionsklasse von Prof. Oliver Schneller und Prof. José María Sánchez-Verdú sowie neue Werke von Studierenden des Instituts für Musik und Medien.
Das Programm
12 bis 17:30 Uhr Krypta Klanginstallation
Fast wie ein magischer Ort im Verborgenen, ein Raum der Besinnung und Meditation zeigt sich die sogenannte Krypta unter dem Partika-Saal der Hochschule. Zunächst als überkonfessioneller Andachtsraum konzipiert, ist heute bei open form – Tag der zeitgenössischen Musik der Öffentlichkeit zugänglich. Zwischen den Konzerten finden kostenlose Besichtigungen statt. Zu hören ist dabei die vom Komponisten Karlheinz Stockhausen eigens für die Krypta geschaffene Klanginstallation, die im Zusammenspiel mit der gläsernen und farbenprächtig schillernden Kunst von Gerhard Richter- und Beuys-Schüler Emil Schult die Besichtigung zu einer sinnlich-körperlichen Erfahrung macht.
Anmeldung vor Ort im Foyer des Partika-Saals. Die Zuhörerzahl für die Krypta-Konzerte ist begrenzt.
11:00 Uhr Familienkonzert
Ein Konzert für alle: open form lädt Groß und Klein zu einem offenen Konzert ein, in dem zeitgenössische Musik aus der Nähe und in Aktion erlebt werden kann. Gemeinsam machen wir uns auf die Reise um Neues zu entdecken, denn die Welt ist voll davon. Wir hören von schlauen Tieren, von verschiedenen Sprachen, die uns doch die richtigen Worte nicht finden lassen, und von Wegen, die Ungeahntes für uns bereithalten.
Pamela Soria Storyteller 10‘
I. Der Fuchs und der Tiger
II. Der Schaden von Gerüchten
III. Die falsche Richtung
David Evers „Doris, die alle Sprachen sprach“ UA 15‘
13:00 Uhr IMM und elektroakustische Musik
Neue Werke von Studierenden des Instituts für Musik und Medien. Experimentelle Klänge und ungehörte Sounds garantiert.
16:00 Uhr FLIEßENDE UTOPIE
Le Marteau sans maître (dt. Der Hammer ohne Meister) – ein Werk vom Rang des Außerordentlichen, nicht nur hinsichtlich der exorbitanten Schwierigkeiten der Partitur. Die Uraufführung 1955 brachte Pierre Boulez den entscheidenden Durchbruch und etablierte ihn als Neue Musik-Größe. Das Werk scheint eine utopische Verbindung zwischen Unvereinbarem einzugehen: Freiheit und Ordnung, konstruiertes System und Spontanität verschmelzen. Boulez legt den neun Sätzen die surrealistischen Gedichte von René Char zu Grunde, die von Stimme und Instrumenten gleichermaßen interpretiert wird. Die Stimme wird zum klingenden Material, das an Worte nur noch erinnert und zum Entdecken einlädt.
Eröffnet wird das Konzert mit dem Werk Onde I (dt. Welle) des südkoreanischen Komponisten Sunghyun Lee aus der Klasse von Prof. Oliver Schneller. Wellenartige Phänomene im Klang, Zusammenspiel organischer Flüssigkeit und kristalline Strukturen untersucht der junge Komponist, der zur Zeit auch als Resident Composer bei der IEMA (Internationale Ensemble Modern Akademie) in Frankfurt tätig ist.
Sunghyun Lee (*1995) «Onde I» pour six instrumentistes (2020)
I. Stars and Crystals
II. Dialoques and Dances
Pierre Boulez (1925-2016) Le Marteau sans maître für Alt und 6 Instrumente (1955)
I. Avant « L'Artisanat furieux »
II. Commentaire I de « bourreaux de solitude »
III. « L'Artisanat furieux »
IV. Commentaire II de « Bourreaux de solitude »
V. « Bel édifice et les pressentiments » – version première
VI. « Bourreaux de solitude »
VII. Après « L'Artisanat furieux »
VIII. Commentaire III de « Bourreaux de solitude »
IX. « Bel édifice et les pressentiments » – double
17:30 Uhr SEQUENZA I – 100 Jahre Luciano Berio
Luciano Berio, geboren am 24. Oktober 1925 in Oneglia, Italien, gehörte, wie auch Pierre Boulez, mit dem er in engem künstlerischen Austausch stand, zu den bestimmenden Persönlichkeiten der Neuen Musik. Einige seiner Werke, darunter der Sequenza-Zyklus, wurden zu Meilensteinen der neueren Musikgeschichte. Von den neun „Sequenza“ sind heute drei zu hören, in denen Berio neue Klangräume und -farben für das jeweilige Soloinstrument entdeckt. Besonders stark interessierte sich Berio für die menschliche Stimme. Die Ermordung Martin Luther King 1968 bewog den Komponisten im selben Jahr das Stück O King für Mezzosopran und Ensemble, dessen Text ausschließlich aus dem Namen Kings besteht.
Luciano Berio (1925-2003) O king für Ensemble (1968)
Bastián Jorquera Figueroa 4 Stücke aus: El abismo de Dantès UA
Luciano Berio Sequenza I für Flöte Solo (1958)
Luciano Berio Psy für Kontrabass (1989)
19.00 Uhr ÉCLAT - 100 Jahre Pierre Boulez
Die Robert Schumann Hochschule widmet dieses Konzert Pierre Boulez, einem der einflussreichsten Komponisten, Dirigenten und Musikdenkern des 20. Jahrhunderts, seinem ästhetischen Denken und künstlerischem Kosmos. Zu hören sind ausgewählte Werke des französischen Komponisten. Wie eine kondensierte Visitenkarte erscheint Éclat, das zu Boulez‘ 40. Geburtstag am 26. März 1965 unter der Leitung des Komponisten uraufgeführt wurde. „Èclat“ heißt übersetzt so viel wie Splitter oder Glanz und Lichtreflexe, aber auch Krach, Explosion und Aufsehen. Diese Bedeutungsvielfalt ist auch zu hören: Es gibt kleine Explosionen, unerwartete Überraschungen und komponierter Freiraum, die jede Aufführung einmalig machen. Für Pierre Boulez‘ Entwicklung als Komponist war die Begegnung mit Olivier Messiaen, bei dem er am Pariser Conservatoire studierte, von großer Bedeutung. Auch George Benjamin, dessen Werk At first light das Konzert eröffnet, nahm ein Kompositionsstudium bei Messiaen auf, inspiriert von Aufführungen zeitgenössischer Musik, die das BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Pierre Boulez aufgenommen hatte. Mit zahlreiche Uraufführungen von Werken für große Ensembles führen die jungen Komponist*innen der Robert Schumann Hochschule zeitgenössische Musik ins Heute und setzen musikalische Pionierarbeit fort.
George Benjamin (*1960) At first light (1982)
Maria Keller, Leitung
Pierre Boulez Douze Notations für Klavier (1945)
VII. Hiératique
VIII. Modéré jusqu’à trés vif
IX. Lointain. Calmé
X. Mécanique et très sec
XI. Scintillant
XII. Lent – puissant et âpre
Ssu-Ting Lin „Still/shift” UA
Pierre Boulez Dérive I für 6 Instrumente (1984)
PAUSE
Antoine Eden Pointing UA
Pierre Boulez Éclat für 15 Instrumente (1965)
Leishuo Ye Perching in the faded wind UA
Pierre Boulez Mémoriale (explosante-fixe) für Flöte und 8 Instrumente (1985)
21.15 Uhr VOKALENSEMBLE – Neue Musik aus Düsseldorf
Studierende des Fachs Gesang und der professionelle Klangkörper der Hochschule, das RSH-Vokalensemble präsentieren Uraufführungen von Chorwerken aus der Kompositionsklasse von Prof. Schneller und Prof. Sánchez-Verdú unter der Leitung von Studierenden der Chorleitungsklasse von Prof. Tomo Nuoranne.
Luis Goemans Luis Goemans There’s no happy love op. 8 UA
(Text: Louis Aragon UA)
David Evers Phaethon im Roggen UA
Pamela Soria Fragen UA
22.15 Uhr SEQUENZA II – 100 Jahre Luciano Berio
Open form – Tag der zeitgenössischen Musik lässt mit intimen Klängen und Werken für kleine Ensembles das Festival ausklingen.
Luciano Berio Sequenza III für Frauenstimme (1965/66)
Yejun You Lokales Radio III (2024) UA
Claudio Huerta Honores Una palabra
Vicente Moreno, Gitarre
Luciano Berio Sequenza VII für Oboe (1969)
Leishuo Ye When snow brushes the strings UA
Pierre Boulez Douze Notations für Klavier (1945)
I. Modéré – Fantasque
II. Trés vif. Strident
III. Assez lent
IV. Rythmique
V. Doux et improvisé
VI. Rapide