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29.03.2023

Der neue Rektor - ein Kammermusiker

Thomas Leander, Foto: Diesner

Prof. Thomas Leander tritt die Nachfolge von Prof. Raimund Wippermann als Rektor der Düsseldorfer Musikhochschule an. Der Journalist Armin Kaumanns hat ihn Anfang März in der Jugendstilvilla an der Fischerstraße, dem Sitz der Verwaltung, besucht.

Mit der Anrede Magnifizenz kann sich Thomas Leander noch nicht so recht anfreunden. Der hochformelle Titel, vielleicht seit Goethe- oder Kaiser-, jedenfalls seit Urzeiten im Ritus deutscher Hochschulordnungen wurzelt, lässt ein eher amüsiertes Lächeln um den Mund des neuen Rektors der Robert Schumann Hochschule spielen. „Wer weiß, hinter so einem Titel verbirgt sich vielleicht die Hoffnung der anderen, man möge an seinen Aufgaben wachsen“, frotzelt er. Bei unserem „Antrittsbesuch“ im noch alten Büro des neuen ersten Mannes unterm Dach des Verwaltungsgebäudes an der Fischerstraße geht es recht locker zu. Schließlich sind es bis zur offiziellen Amtsübernahme ja noch ein paar Wochen: Zum 1. April zieht der noch amtierende Prorektor ein Stockwerk tiefer ins etwas vorzeigbarere Büro von Raimund Wippermann, seinem Vorgänger. Wobei „Vorgänger“ in keiner Weise ausdrückt, welch große Fußstapfen da für den neuen Mann an der Spitze der RSH bereitstehen. Ein wenig fester wird Leanders Miene dann aber doch, wenn die Rede auf die Hierarchien in der Organisation einer Hochschule kommt. Im Zusammenwirken mit den Gremien Rektorat, Senat und Fachbereichsrat, die für die künstlerischen und organisatorischen Entscheidungen der Hochschule verantwortlich sind, hat der Rektor sozusagen das letzte Wort. Gegen ihn geht fast nichts. Und da bedeutet das Amt, das gewissermaßen ja das Gesicht der Hochschule nach außen und innen ist, hohe Verantwortung.

Der Rektor als Moderator 

Thomas Leander ist ein Düsseldorfer Eigengewächs. 1960 in der Landeshauptstadt geboren, studierte er Klavier zunächst in Düsseldorf, dann in Wien und London, machte nach dem Konzertexamen als einer der angesagten deutschen Kammermusiker und Liedbegleiter Karriere und erhielt 1995, mit 34, eine Klavierprofessur an der RSH. 2004 wurde er Dekan seines Fachbereichs, 2010 Prorektor für Künstlerische Praxis und Förderungswesen. Jetzt, mit 62, hat er vier Jahre als Rektor vor sich. Viel Zeit ist das gerade nicht, aber Zeit genug, einige ihm wichtige Projekte anzustoßen. „Ich verstehe mich gerade in der neuen Rolle als Rektor auch als Kammermusiker“, greift Leander den Gesprächsfaden wieder auf. „Am liebsten hätte ich Hierarchien gar nicht. Aber einer muss ja der Ansprechpartner sein, einer muss die Verantwortung übernehmen, wohin es mit der Hochschule gehen soll. Das gilt nach außen wie nach innen. Intern sehe ich mich vor allem als Moderator auch künstlerischer Diskussionen.“ Leander vermittelt in unserem Gespräch eine neugierige Freude auf den neuen Job.

Immer das Ganze im Blick

Er macht aber auch deutlich, welchen Respekt er vor seiner neuen Funktion in der Leitung der Hochschule hat. Als Prorektor konnte ich frei Projekte entwickeln und vorschlagen. „Als Rektor muss ich das Ganze im Blick haben. Und entscheiden, was immer auch bedeutet: verzichten.“ Diese Lebensweisheit gewinnt in Leanders neuer Stellung ebenso an Kraft wie die Erkenntnis, dass etwa mit der Verteilung von Geldern innerhalb der Hochschule, oder mit der Neubesetzung von Stellen im weitesten Sinne politische Entscheidungen verknüpft sind. In seiner Bewerbung für den Posten des Rektors – im Frühjahr 2022 wählten ihn die Mitglieder des Senats mit großer Mehrheit – stellte er drei Schwerpunkte seiner künftigen Arbeit heraus, die er schon vor der Amtsübernahme vorbereitet.

Master Kammermusik

Da ist zum einen der inzwischen beschlossene Plan, das künstlerische Profil der Robert Schumann Hochschule durch eine Aufwertung der Kammermusik zu schärfen. In naher Zukunft (der genaue Termin steht noch nicht fest) werden junge Musiker auch an der RSH einen Master für Kammermusik ablegen können. Dazu sind bereits Professoren für Streicher-, Klavier- und Bläser-Kammermusik verpflichtet: so wird der Cellist des Artemis-Quartetts, Eckart Runge, nach Düsseldorf kommen ebenso wie die lettische Pianistin Diana Ketler für den Bereich Klavier. Für den oder die Neue im Bereich Bläser ist das Verfahren noch nicht beendet.

Ausbau der Opernschule

Ein zweiter Schwerpunkt von Leanders Amtszeit wird der Ausbau der Opernschule sein. Die kontinuierliche und regelmäßige Ausbildung der Studierenden in den Gesangsklassen auf der Bühne – die jährliche Erarbeitung eines großen Bühnenwerks in Zusammenarbeit mit der Deutschen Oper am Rhein gehört schon lange dazu – will Leander am liebsten durch die Bindung eines Regisseurs für Musiktheater ans Haus erreichen. Dabei stellt er besonders die Neue Musik in den Fokus. „Ich möchte, dass wir in der Stadt Schumanns und Mendelssohns wieder wichtig werden für Neue Musik. Wir sind da schon mit der Kompositionsklasse von Prof. Oliver Schneller sehr gut aufgestellt. Mir schwebt vor, dass wir regelmäßig eine neue Kammeroper aufführen und mit unseren Produktionen in die Stadt gehen.“ Letzteres hat ihm gewissermaßen seine 15-jährige Tochter auf die Agenda geschrieben, die als erklärtes Lieblingsformat die Lange Nacht der Neuen Musik auserkoren hat.

Music Career Center

„Die Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses hat an unserem Haus immer zum Ziel gehabt, die Absolventen in die Lage zu versetzen, Probespiele zu gewinnen und Festanstellungen zu erreichen. Ich will das erweitern,“ sagt Leander und spricht von seiner Idee eines Music Career Center (MCC), das neben dem Konzert und Selbstmanagement auch außermusikalische Kompetenzen der Studierenden stärken soll. Er trägt damit der Tatsache Rechnung, dass etwa 70 Prozent der Absolventen deutscher Musikhochschulen auf dem freien Markt arbeiten. „Ich will die Freiberuflichkeit stärken“, betont Leander. Als Schlagworte nennt er unter anderen: Arbeitsmarktanalyse, Steuerrecht, Social-Media, Stressmanagement, Interdisziplinarität, Projektmanagement.

Bis das Angebot MCC in die modularen Studienpläne eingebaut ist, bis geeignete Leute für die Leitung des neuen Fachbereichs gefunden werden, wird jedoch wohl noch Zeit vergehen. Das alles sieht der bei unserem Gespräch noch amtierende Prorektor einstweilen gelassen. Er hat vor sich ein bestens bestelltes Feld, auf dem er eigene Akzente setzen kann. Er wird sich Zeit nehmen, alle Bereiche der RSH aus neuer Perspektive genauer kennen zu lernen: die Musikwissenschaftler, die Musik-Informatiker, die Kirchenmusiker und auch die Bundeswehrsoldaten, die in Düsseldorf fürs Musikkorps ausgebildet werden. Nicht zu reden von den Lehrenden und Studierenden im Institut für Musik und Medien, das inzwischen ein Viertel der Studierenden ausmacht.

Leander freut sich drauf, und es sieht nicht so aus, als werde der Mann in Jeans, Sakko, Pulli und Wollschal demnächst nur noch im Anzug zu sehen sein. Beim Abschied gibt er dem Besucher noch eine Aufnahme der legendären Tote-Hosen-Konzerte mit auf den Weg, zu dem er 2013 die Rockband mit dem Hochschulorchester im Gedenken an 75 Jahre Entartete Musik in der Tonhalle zusammenbrachte. Das Großprojekt hat ihm und der Hochschule damals einen mächtigen Impuls gegeben. Daran will Thomas Leander auch als Rektor anknüpfen.



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